Athen hat seine Ruinen nicht nur - es inszeniert sie.

 

Akropolis - revisited

 

Die Akropolis - schon vor Langem einmal gesehen? Mag sein, aber mit den Jahren wurde rund um den berühmtesten Hügel des klassischen Altertums so etwas wie ein Antiken-Cluster gebildet, der einen ganzen Tag zwischen Bildung, Spazierengehen und Genießen nahelegt. Eine Umrundung der weithin sichtbaren Tempelanlage also, natürlich inklusive Gipfelsturm, in deren Verlauf sich nicht nur Antikes aneinander reiht.

 

Ein guter Ausgangspunkt dafür ist - was sonst? - die Metro-Station Akropolis. Unweit davon sticht die schmale Vyronos-Straße hinein in die Plaka, die Altstadt, mit ihren Geschäften, Souvenirläden und Lokalen. Wem es ums Flanieren und Einkaufen geht, der wird rechts hinunter in Richtung Monastiraki-Platz fündig, geradeaus aber beginnt eine ebenso eigen- wie einzigartige Abfolge: ein Häuserblock Geschäfte, dann einer mit Lokalen, und dazwischen immer wieder Ausgrabungen. Einfach so, wie organisch eingearbeitet.

 

Die erste richtig große ist die Römische Agora aus der Zeit um Christi Geburt. Zwei Fußballfelder groß, mit dem gut erhaltenen Turm der Winde, einer antiken Wetterstation und öffentlichen (Sonnen-)Uhren. Hier empfiehlt sich auch gleich der Erwerb des Sammel-Tickets für die archäologischen Stätten Athens.

 

Mit drei Besuchen hat man den Preis herinnen - und es werden sicher mehr.

Auch hat das diensthabende Lokal, die "Taverna Acropolis", seine Tische entlang des Grabungszauns aufgestellt, und so lässt sich hier der erste Kaffee trinken, während man rechts den Touristenstrom an sich vorbeiziehen lässt und links hinunterschaut auf die Reste jener Säulen, zwischen denen vor zwei Jahrtausenden Markt gehalten wurde.

Danach geht es ein paar Schritte hinunter zu den Resten der Hadriansbibliothek, benannt nach jenem römischen Kaiser, der im zweiten nachchristlichen Jahrhundert Athen mehrmals besuchte und ausbauen ließ. Mehr als 20.000 Schriftstücke auf drei Stockwerken soll sie umfasst haben.

 

Mitten durch die Antike zur Arbeit

 

Direkt daneben befindet sich in einer Moschee aus dem 18.Jahrhundert ein Keramik-Museum, und das lokale Hard Rock Café in der vis a vis abzweigenden Adrianou-Straße rundet den Epochen-Mix ab.

Direkt daneben befindet sich in einer Moschee aus dem 18.Jahrhundert ein Keramik-Museum, und das lokale Hard Rock Café in der vis a vis abzweigenden Adrianou-Straße rundet den Epochen-Mix ab.

 

Zweihundert Meter weiter auf dieser Straße, an einer Brücke, kommt der nächste Beitrag zum Thema Zeitreise: Mitten durch die antiken Stätten fährt die Schnellbahn!

 

Es muss ein eigenartiges Gefühl sein, in einem solchen Pendlerzug zur Arbeit zu fahren.

Jenseits der Brücke betritt man die Griechische Agora, die in ihrer Blütezeit vor 2.200 Jahren den weltlichen Gegenpol zu den Tempelanlagen oben auf der Akropolis darstellte.

 

Heute ähnelt das weitläufige Gelände einem Park, auf der einen Seite überragt vom bestens erhaltenen Hephaistos-Tempel (übrigens Vorbild für den Theseus-Tempels im Wiener Volksgarten) und auf der anderen von der Rekonstruktion der über hundert Meter langen, stockhohen Säulenhalle des Attalos, welche als Museum dient. 2003 wurde hier die Osterweiterung der EU besiegelt.

Durch das weitläufige Gelände geht die Wanderung schließlich unter Olivenbäumen hinauf Richtung Akropolis, deren Eingang man auf den sanft ansteigenden Wegen leicht erreicht. Ihre Beschreibung hieße Eulen über Säulen nach Athen tragen. Eines verdient allerdings besondere Erwähnung: Sie wird restauriert. Oder, treffender gesagt: rekonstruiert. Der Nike-Tempel am Eingang ist praktisch fertig, ins Erechtheion mit seiner berühmten, von sechs Frauenstatuen getragenen Vorhalle schleppen Bauarbeiter Zementsäcke, und rund ums Parthenon stehen Gerüste. Sogar Schienen hat man oben auf dem Berg verlegt, um die tonnenschweren Steine zu transportieren. So geht das seit rund 20 Jahren. Sinn, Ausmaß und Finanzierung des Projekts werden heftig diskutiert. Bisher wurden jedenfalls rund 1.500 historische Teile wieder eingesetzt und mehr als 500 Kubikmeter frischer Marmor verbaut, der hell und glatt zwischen den alten Stücken heraussticht. Und angesichts großer Mengen sorgfältig aufgeschichteter Trümmer geht einem leicht die Fantasie durch: Kommen zwei Bauarbeiter zu einem Archäologen und sagen: "Chef, wir brauchen noch zwei ionische Säulen!" Und der antwortet lakonisch: "Hinterm Parthenon liegen eh noch ein paar herum..."

 

Höhepunkt am Ende der Runde


Im Ernst weiterspaziert: Der höchste Punkt des Burgberges mit seiner mächtigen griechischen Flagge ermöglicht einen eindrucksvollen Blick über die fast vier Millionen Menschen zählende Hauptstadt-Region, ehe es an den Abstieg geht. Nun setzt man die Runde sanft abwärts fort und kommt zwischen Imbiss-Ständen und Andenkenverkäufern an zwei antiken Arenen vorbei, deren Besuch sich lohnt: Das gut erhaltene Herodes-Attikus-Theater wird für Freilicht-Aufführungen benützt, und das in den Akropolis-Abhang hineingegrabene Dionysos-Theater gilt überhaupt als ältestes seiner Art, weil die hier seit dem 5. Jahrhundert vor Christus abgehaltenen, kultischen Tanz- und Gesangsaufführungen später zum antiken griechischen Drama weiterentwickelt wurden.

 

Den letzten großen Höhepunkt gibt es dann am Schluss.

 

Am Ende der Dionyssiou Areopagitou-Straße - zugleich dem Anfang der Runde - wartet das 2009 eröffnete, spektakuläre Akropolis-Museum, äußerlich eine Aufschichtung großer, flacher und gegeneinander verdrehter Quader, das im Inneren durch großzügige Raumgestaltung und gläserne Böden jede Menge Aus-, Ein- und Durchblicke auf fast 4.000 Ausstellungsobjekte ermöglicht, die hier präsentiert und kommentiert werden.

 

Und bei Duplikaten fehlt nicht der dezente Hinweis, welches ausländische Museum im Besitz des griechischen Originals ist.

 

Den Clou des Ganzen erreicht man freilich im letzten Stock, wo das Parthenon in Originalgröße nachgebaut ist, Teile seines Frieses von der Witterung geschützt sind und gleich daneben ein riesiges Panoramafenster den Blick hinauf zur echten Akropolis freigibt.

Gut, dass das Museum an den meisten Tagen bis 20 Uhr offen hat, denn danach kann nur mehr eines helfen: Das nächste Lokal in der nahen Plaka aufsuchen und die müden Füße entspannen.