Gastlehrer in Estland - Erkenntnisse aus dem "blinden Fleck"

 

In diesem Beitrag für die Mitteilungen des Österreichischen Verbandes für Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache geht es um die Erkenntnisse aus einem Aufenthalt als Gastlehrer in Estland im Herbst 2002. Mit einem Kofferraum voller Unterrichtsmaterial, Lehrmittel (inklusive Gitarre!) und Mitbringsel breche ich auf. Nach einem Abstecher nach Kaliningrad sind Tartu, Haapsalu und Talinn die wichtigsten Stationen. Und überall treffe ich auf enorme Gegensätze - und Aufbruchsstimmung: auf einen sensationell guten Gymnasialdirektor, auf sensationell engagierte DaF-LehrerInnen und auf überrschende Details, wie zum Beispiel die Tatsache, dass in Estland die SchülerInnen zu den LehrerInnen in deren Stamm-Klasse kommen. Und nicht umgekehrt, wie in Österreich...

 

Estland - und das gesamte Baltikum - ist damals noch weit entfernt, eine Region der "Tiger" zu sein, vielmehr geht es um das Leben mit Mängeln in vielen Lebenslagen. In den Schulen besonders: Es mangelt an Geld, an technischer Ausstattung und auch an Selbstbewusstsein - zumindest für die Deutsch-LehrerInnen. Zwischen der stark forcierten Förderung des Englischen und der angesichts einer großen russisch-sprachigen Minderheit notwendigen (wenn auch innenpolitisch stark umstrittenen) Beschäftigung mit dem Russischen als (Fremd-)Sprache rutscht der Deutsch-Unterricht nämlich mehr und mehr auf die Position "unter ferner liefen" zurück.

 

Umso beeindruckender ist es, was die KollegInnen vor Ort leisten. Und wie lehrreich ein Aufenthalt in einem solchen Land für österreichische LehrerInnen ist. Das ist auch in der Einleitung zusammengefasst:

 

Österreich ist ja ein DaF-Paradies. Wir Lehrenden leben in unserer eigenen - sprachlichen - Festung und jeder Fortschritt integriert die Studierenden besser in eine von ihnen angestrebte Umgebung. Da hilft ein Blick auf den "blinden Fleck": auf die Arbeitsbedingungen anderer DaF-Unterrichtender nämlich, die irgendwo auf der Welt in irgendeiner Konkurrenz mit irgendwelchen anderen Sprachen irgendwelche Schüler/innen irgendwie von irgendeinem Nutzen der deutschen Sprache überzeugen müssen...

Jeden Herbst entsendet das Bildungsministerium einein bis zwei österreichische Lehrerlinnen für einen Monat nach Estland, um an dortigen Gymnasien im DaF- Unterricht zu helfen. Die Hauptaufgaben sind (in dieser Rangordnung):

  • österreichische Landeskunde
  • Kooperation mit Kolleg/innen
  • Kontaktpflege und natürlich auch
  • Deutschunterricht.

Also ein Job für Leute mit Spaß am Improvisieren!